Lösungen Kapitel 32
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Aufgabe 32.1:
Zum Mittelohr als Signalverstärker.
Man erinnere sich: Die mechanische Erregung wird vom Trommelfell durch die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügelchen) über das ovale Fenster auf die Flüssigkeit des Innenohres übertragen und kehrt durch das runde Fenster in die Eustachische Röhre zurück.
Die Impedanzanpassung erfolgt auf zwei Weisen:
Erstens, durch Erhöhung des Schalldruckes am ovalen Fenster, und zwar aufgrund der Reduktion der Fläche von am Trommelfell auf am ovalen Fenster. Unter der Annahme der Inkompressebilität der Luft in der Eustachischen Röhre und der Endolymphe entspricht dies einer Druckerhöhung um den Faktor 17.
Zweitens durch die Hebelwirkung des Knöchelsystems: Hammer-Amboss-Steigbügel, was einer Druckerhöhung um den Faktor 1.3 entspricht.
Insgesamt resultiert so eine Druckerhöhung um den Faktor 22. Dies entspricht einer wirksamen Impedanz der Cochlea von Z = 200. Das Reflexionsvermögen wird auf 40\
Eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung großen Lärms spielen die Muskeln im Mittelohr [1]. Die Abschwächung setzt bei einem Schallpegel von 75 dB ein. Ein Muskel (musculus tensor tympani) steht mit dem Hammer in Verbindung und spannt das Trommelfell. Man nimmt an , dass dies der kleinste Muskel des Menschen ist. Der zweite Muskel (musculus stapedius) kann die Platte des Steigbügels im ovalen Fenster verkannten. Vor allem der letzte Muskel schwächt die Ankopplung des Schalls an das Trommelfell ab, und zwar bis zu 40dB. Ein weiterer Zweck der Mittelohrmuskels ist die Unterdrückung der Gehörempfindlichkeit während des Sprechens. Die Reduktion der Schallankopplung an das Trommelfell erfolgt mit einer Verzögerung von 40-80 ms. Sehr schnelle Lärmbelastungen (z.B. Explosionen) können aufgrund der Verzögerung nicht unterdrückt werden und so zur Schädigung der Basilarmembran führen.
Referenz:
Borg, E. und Coun ter, SA. (1989) Die Muskeln des Mittelohrs als Schalldämpfer. Spektrum der Wissenschaft October1989 128-134.
Aufgabe 32.2:
Wie Bekesy auf die Idee mit den Wanderwellen kam.
Man lernt in der Einführung in die Physik der Schwingungen einer Feder, dass die Phasenverschiebung zwischen und ändern kann. Die Auslenkung der Feder durch eine periodische Kraft folgt mit einer Phasenverschiebung gemäß . Die Phasenverschiebung gehorcht der Gleichung , d.h. variiert von 0 (für ) bis für und folgt einer universellen monoton verlaufenden Kurve: ~.
Nehmen wir an, die Phasenverschiebung sei durch die Viskoelastizität der Basilarmembran (BM) bestimmt, dann ist die Phasenverschiebung gegeben durch , wobei G' der elastische Modul und G die Verlustmodul ist, die beide in komplizierter Weise von der Frequenz abhängen können, wie wir im Kapitel 26 sahen. Mit der in Abb.1 gezeigten, genial einfachen Experiment fand Bekesy zwei besondere Verhaltensweisen, die zeigten, dass das Helmholtz-Resonatormodell falsch sein muss.
1) Die Phasenverschiebung der Erregung der BM gegenüber der Stapes-Anregung ist für hohe Frequenzen (d.h. nahe am Stapes) sehr klein und steigt oberhalb der Frequenz maximaler Erregung (der Bestfrequenz) sehr stark an. Das ist mit dem Resonatormodell nicht zu erklären.
2) Das zweite Argument war die Beobachtung. dass die Erregung wie eine Seilwelle vom Stapes zum Helicotrema läuft, wobei die Position der maximalen Auslenkung der BM mit abnehmender Frequenz vom Stapes zum Helicotrema zunimmt.
Aufgabe 32.3:
Anwendung einer kernphysikalischen Methode in der Physiologie.
Wie im Kapitel 32.5 ausführlich beschrieben wurde, hat die Physik des Hörens durch die Messung der Erregung der Basilarmenbran durch den Mössbauereffekt, die W.S. Rhode 1971 gelang (s. [1] und [2]) die moderne Physik des Hörens eingeleitet. Es ist lohnenswert, sich dieses historische Experiment genauer anzusehen, zumal es zeigt, wie man mit kernphysikalische Methoden Probleme der Biologischen Physik lösen kann.
Unter dem Mössbauereffekt versteht man die rückstoßfreie Emission von -Quanten durch angeregte Kernzustände, so dass die Linienbreite der emittierten Photonen allein durch die Lebensdauer des angeregten Zustandes (typischerweise ) bestimmt ist. Die Linienverbreiterung aufgrund des Dopplereffekts frei diffundierender Kerne ist um fast zwei Größenordnungen größer, als die natürliche Linienbreite. Mössbauer entdeckte, dass man die Dopplerverbreiterung durch Einbau der Kerne in Kristallgitter unterdrücken kann, da dann der ganze Kristall den Impuls aufgrund des Rückstoßes des Kerns aufnimmt. Dadurch können die von einem Kern ausgesandten -Quanten von einem zweiten absorbiert werden. Diese Resonanzabsorption kann man ausnutzen, um sehr kleine Geschwindigkeiten zu messen (s. Abb.1). Ein Beispiel ist die Messung der Rotverschiebung des Lichts im Gravitationsfeld, ein anderes die Messung der Dynamik der Proteine [1]. Die von A absorbierte Energie hat die Form einer Lorentzlinie mit der Breite , falls A und E ruhen und f, falls sie sich gegenseitig mit der Winkelgeschwindigkeit bewegen.
\quad \quad \quad (1)
Das Experiment von Rhode: Für die benutzte Quelle/Absorber-Kombination ergibt sich eine negative Lorentz-Linie, wenn man die Zählrate g(v) (d.h. die nicht von A absorbierte Strahlung) als Funktion der Geschwindigkeit v aufträgt:
(2)
Dabei ist f ein Maß für den relativen Mößbauereffekt (s. [2] Appendix A). Es wird für und für . Die für das Quelle/Absorber-Paar charakteristischen Konstanten g und f können in einem separaten Experiment bestimmt werden.
In Abbildung 2 sind zwei solcher Lorentzkurven zu sehen. Sie sind etwas verzerrt, da die Geschwindigkeit kosinusförmig variiert. Ist die Schwingung der Basilarmembran an einem bestimmten Ort von der Form ,so wird . Das Maximum der normierten Zählrate liefert die maximale Geschwindigkeit . Bei Kenntnis von f und erhält man die Amplitude .
Wichtige Erkenntnisse aus dem Experiment: Zwei typische Resonanzkurven der Basilarmembran zeigt Abb. 2b. Sie wurden an zwei Punkten aufgenommen, die ca. 1.5 mm voneinander entfernt sind. Die zu höheren Frequenzen verschobene Kurve entspricht dem näher am ovalen Fenster liegenden Punkt. Die Resonanzkurven sind asymmetrisch und fallen zu höheren Frequenzen hin steil ab. Dadurch wird die Frequenzauflösung verbessert.
Ein erstaunliches Ergebnis war folgendes: Die maximale Amplitude bei der im Experiment benutzten Lautstärke betrug Angstrom. Extrapolierte man die Ergebnisse der Experimente zu sehr kleinen Frequenzen, so folgte bei 0 dB (d.h. an der Hörgrenze und bei 1000 Hz) eine Amplitude von . Da klar war, dass solche Amplituden im Rauschen verschwinden, suchte man nach einem verborgenen Verstärkermechanismen, der durch die Äußeren Haarzellen vermittelt wird, wie wir heute wissen.
Referenzen:
1 Parak, F. (1985) Strukturfluktuationen in Proteinen. Physikalische Blätter 41: 396
2 Rhode, W. S. (1971) Observations of the Vibration of the Basilar Membrane in squirrel Monkeys using the Mössbauer Technique, Journal of the Acoustical Society 49: 1218
3 Robles, L., Ruggero,MA. (2001) Mechanics of the Mammalian Cochlea Physiological Review 81: 1305-1352
Aufgabe 32.4:
Heterodyn-Interefrometrie: eine moderne Methode zur Beobachtung der BM-Schwingungen mit nm Genauigkeit.
Die Methode funktioniert analog zur dynamischen Lichtstreuung mit dem Heterodyn-Verfahren. Man überlagert das vom Objekt (der BM) reflektierte Licht mit einem Referenzstrahl. Um die (unbekannte) Schwingung des Objekts zu analysieren, wird die Frequenz eines Strahls in definierter Weise moduliert. Dazu benutzt man häufig stehende Schallwellen, sog akusto-optische Modulatoren, wie Debye-Sears Zellen. Durch Bragg-Streuung wird die Frequenz des Lichts mit der Schallfrequenz moduliert, wobei die Modulation von der Ordnung des reflektierten Strahls abhängt.
Die vibrierende BM erzeugt eine Dopplerverschiebung . ist der Winkel zwischen Laserstrahl und dem Geschwindigkeitsvektor . Die Frequenz des Mess- und des Referenzstrahls sind: und .
Der Detektor fungiert als Tiefpassfilter. Der Strom am Ausgang des Detektors hat daher die Form:
Die Fourieranalyse liefert die Amplitude der Geschwindigkeit der BM. Daraus erhält man wie im Fall der Mössbauer-Methode die Amplitude aus .
Regt man die Cochlea und den Modulator mit einer definierten Frequenz und Phase an, so kann man die Phasenverschiebung zwischen Erregung und der Schwingung der BM bestimmt werden, indem man die Phase des akustooptischen Modulators in definierter Weise variiert.
Eine andere Methode besteht darin, den auf die BM fallende Welle mit Hilfe des opto-akustischen Modulators zu modulieren und mit dem Referenzstrahl zu überlagern. Dann besteht das Fourierspektrum am Detektor aus einer Trägerfrequenz fr die durch die Schwingung des Objekts moduliert ist (s. Wikipedia 'Akusto-optischer Modulator').
Referenzen:
1 Robles, L., Ruggero,MA. (2001) Mechanics of the Mammalian Cochlea Physiological Review 81: 1305-1352
2 Cooper NP. (1999)An improved heterodyne laser interferometer for use in studies of cochlear mechanics. J Neurosci Methods 88: 93-102
3 Cooper, NP., Rhode, WS. (1992). Basilar membrane mechanics in the hook region of cat and guinea-pig cochleae: Sharp tuning and nonlinearity in the absence of baseline position shifts. Hearing Research 63, 163-190.
Aufgabe 32.5:
Definition des akustischen Wellenwiderstands.
Eine Ableitung der Gleichung für den Wellenwiderstand Z findet man im Anhang 'Zur Physik des Schalls' zu diesem Buch oder in §64 von [1]. Man kann Z aber auch auf einfachere Weise ableiten, indem man von der allgemeinen Eigenschaft der Wellenausbreitung in elastischen Medien ausgeht. Zur Berechnung der Intensität betrachten wir die Auslenkung . Die kinetische Energie pro Volumen ist:
.
Daraus erhält man für die mittlere kinetische Energie
, da der zeitliche Mittelwert von ist. Nun sind bekanntlich die Zeitmittelwerte der kinetischen und potentiellen Energie einer Welle gleich und daher ist die mittlere Energie . Die Intensität ist daher:
(1)
Der Wellenwiderstand der Schallwellen ist wie folgt definiert: . Die Größe ist ein Maß für den Widerstand, der bestimmt, wie groß die von einer Druckfluktuation erzeugte Geschwindigkeit im Medium ist. Eine längere Ableitung unter Ausnutzung der Euler Gleichung und der Kontinuitätsgleichung liefert und damit:
Man sieht leicht ein, dass der Schall nur dann ungestört von einem zum anderen Medium übergeht, wenn das Verhältnis konstant bleibt. Diese Situation hat man im Fall der Fische und diese benötigen daher keine komplizierte Impedanzanpassung.
Referenz: [1] Landau LD., Lifshitz EM. Lehrbuch der Biophysik Hydrodynamik §64